
Sicherheitspolitik hautnah: Oberleutnant Henrik May zu Gast an der PPC
- Posted by PPC-Limburg
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- Date 3. Dezember 2025
Sicherheitspolitik hautnah: Oberleutnant Henrik May zu Gast an der PPC
Ein besonderer Einblick in die aktuellen Herausforderungen der Sicherheitspolitik bot Oberleutnant Henrik May, Jugendoffizier und Referent für Sicherheitspolitik bei der Bundeswehr, den Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 13 des Beruflichen Gymnasiums der Peter-Paul-Cahensly-Schule Limburg. Unter dem Thema „Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert – Herausforderungen, Risiken und Strategien“ erläuterte er die komplexen Aufgaben der Bundeswehr, die aktuelle Lage in Europa sowie mögliche Zukunftsszenarien.
In der Aula diskutierten sieben Grundkurse des Faches Politik & Wirtschaft intensiv mit May über die Rolle der Bundeswehr. Dabei betonte er: „Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Der Einsatz unserer Streitkräfte ist immer das letzte Mittel. Zuvor werden diplomatische Verhandlungen oder Sanktionen geprüft.“
May ging ausführlich auf die Aufgaben der Bundeswehr ein. „Landes- und Bündnisverteidigung sind unser Hauptauftrag“, erklärte er gegenüber den Schülerinnen und Schülern der Politikkurse. Nach Ende des Kalten Krieges wurde die Truppenstärke im Laufe der Jahre von über einer halben Million aktiver Soldaten auf aktuell 180.000 reduziert, die Reservistenzahl von 700.000 auf rund 40.000 beorderte. Mit der Annexion der Krim 2014 durch Russland rückte die Landes- und Bündnisverteidigung wieder in den Mittelpunkt. Artikel 5 des NATO-Vertrages bildet im Verteidigungsfall das entscheidende Rückgrat: Erst dann werden deutsche Streitkräfte aktiv.
Besonders anschaulich erläuterte May die hybride Bedrohungslage: Deutschland befinde sich „nicht mehr im Frieden, aber auch nicht im Krieg“. Dazu zählen Propaganda, Beeinflussung, Spezialkräfteeinsätze und Cyberangriffe. „Täglich erleben wir rund 6.000 Hackingangriffe auf die Bundeswehr, vermutlich teilweise aus Russland und China“, berichtete May vor den Schülerinnen und Schülern der Oberstufe. Selbst Angriffe auf Einzelpersonen oder Identitätsdiebstahl fallen darunter.
Drohnenangriffe: billig und tödlich
Ein zentrales Thema war der Russland-Ukraine-Krieg. May analysierte die Lage präzise: „Wir befinden uns seit zwei Jahren in einem Stellungskrieg. Luhansk, Donezk und die Krim sind vollständig befestigt, mit Sperren, Minen und Schützengräben.“ Russland verteidige aktuell eher, als dass es angreife, und wolle mindestens diese Regionen halten. Der Krieg sei extrem verlustreich – täglich fallen vermutlich bis zu 2.000 Soldaten. Drohneneinsätze spielten eine wachsende Rolle: „Sie sind schnell herstellbar, kostengünstig und effektiv – doch sie verstoßen oft gegen das Völkerrecht. Soldaten, die verletzt oder gefangen genommen werden, müssen nach internationalem Recht geschützt werden, werden aber trotzdem oft durch Drohnenangriffe getötet.“
May sprach auch offen über Deutschlands Verteidigungsfähigkeit: „An den Verlusten im Ukrainekrieg orientiert wäre die Bundeswehr im Verteidigungsfall mathematisch nur drei Monate überlebensfähig. Ob die Einführung eines Wehrdienstes die Lage verbessern könnte, bleibt abzuwarten.“
Ein weiterer Schwerpunkt des Vortrags waren die Auslandseinsätze der Bundeswehr. In Mali wirkte Deutschland gemeinsam mit französischen Streitkräften an der Stabilisierung der Regierung mit. May erläuterte die Hintergründe: Frankreich, ehemalige Kolonialmacht Malis, verfolgte neben Sicherheitsinteressen auch wirtschaftliche Ziele, etwa Uranvorkommen für Atomkraftwerke. Deutschland unterstützte die Mission, um die Stabilität der Region zu gewährleisten und die eigene Energieversorgung abzusichern – bis zur vollständigen Umstellung auf erneuerbare Energien beziehe Deutschland nachts Atomstrom aus Frankreich. Vorrangig ging es jedoch um Friedenssicherung und die Unterstützung einer stabilen Regierung. Am Horn von Afrika überwachen deutsche Streitkräfte Handelswege, nachdem Huthi-Rebellen Schiffe im Roten Meer angegriffen hatten. „Unser Auftrag ist es, Stabilität zu sichern und Konflikte einzudämmen – nicht selbst zu kämpfen“, erklärte May. Außerdem berichtete er über die 2023 gegründete Litauen-Brigade, deren Hauptaufgabe der Schutz der NATO-Ostflanke sei.
Deutschland vor strategischen Herausforderungen
May beleuchtete auch die geopolitische Dimension: „China ist unser wichtigster Handelspartner, gleichzeitig systemischer Rivale. Gerade die Taiwan-Frage bleibt ein Unsicherheitsfaktor.“ Auf die Frage, ob China einen Angriff wagen könnte, antwortete er nüchtern: „Es ist unklar, aber wir müssen vorbereitet sein.“ Bundeskanzler Friedrich Merz strebe an, die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee Europas auszubauen. „Die wirtschaftlichen Kapazitäten als drittgrößte Wirtschaftsnation hätten wir dafür“, so May.
May betonte in seiner Diskussion mit den Schülerinnen und Schülern der Peter-Paul-Cahensly-Schule, dass der Einsatz von Streitkräften immer das letzte Mittel sei. Vorher kämen diplomatische Verhandlungen, Sanktionen oder andere Maßnahmen. Sein Vortrag machte deutlich, dass die Sicherheitslage in Europa vielschichtig ist – von konventionellen Konflikten über hybride Bedrohungen bis hin zu geopolitischen Spannungen. Für die Schülerinnen und Schüler war der Vortrag besonders eindrucksvoll, weil May seine Ausführungen durch persönliche Erfahrungen aus Auslandseinsätzen authentisch ergänzte.



