Cahensly-Abend 2023
- Posted by PPC-Limburg
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- Date 18. November 2023
ZDF-Börsenexperte: Deutsche verzichten auf Rendite
Zum diesjährigen Cahensly-Abend konnte die Peter-Paul-Cahensly-Schule Limburg zwei renommierte Börsenexperten gewinnen: den Moderator und Leiter der ZDF-Börsenredaktion Frank Bethmann sowie Sven Schumann von der Deutsche Börse AG.
In der vollbesetzten Aula der Peter-Paul-Cahensly-Schule konnte der Schulleiter Detlef Winkler aus Anlass des diesjährigen Cahensly-Abends zahlreiche Gäste aus der heimischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft begrüßen. Daneben die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 12 des Beruflichen Gymnasiums. Vor allem zeigte sich Winkler überglücklich, den Moderator und Leiter der ZDF-Börsenredaktion, Frank Bethmann, und den Senior Vice President Stakeholder Management der Gruppe Deutsche Börse, Sven Schumann, in der weiterführenden Schule begrüßen zu dürfen.
Der Cahensly-Abend stand ganz im Mittelpunkt der aktuellen Entwicklungen an den deutschen und internationalen Kapitalmärkten, insbesondere das Verhältnis der Deutschen zur Aktie und Altersvorsorge. So wählten die beiden Börsenexperten das Thema „Börse – Nur etwas für Reiche!?“ und haben über Vorurteile gegenüber Aktien und einer „Zeitenwende“ an den Kapitalmärkten gesprochen.
Als Einstieg in das Kapitalmarktthema wählte Frank Bethmann als Beispiel das seit über 250 Jahren bestehende deutsche Traditionsunternehmen Birkenstock. Dieses Unternehmen habe sich in diesem Jahr bewusst für einen Börsengang an der New Yorker Aktienbörse entschieden und keine Börsennotierung in Deutschland angestrebt. Wie der Fernsehfachmann vom Mainzer ZDF berichtet, werde der Gesundheitsschuh-Hersteller in den USA zunehmend zu einer Kultmarke und gehöre mittlerweile mit seinem breiten Produktsortiment dem Luxusmarkensegment an. Im Vergleich zu Deutschland seien die Kapitalmärkte in Übersee viel liquider und Börsengänge würden darüber hinaus durch staatliche Programme gefördert. Und schlussendlich sei der US-amerikanische Börsenmarkt wesentlich risikofreudiger als in Deutschland.
„Die Deutschen sparen sich arm!“
Während in der Bundesrepublik im laufenden Jahr drei Unternehmen den Schritt an die Börse gewagt hätten, so Bethmann, seien es an der Wall Street über 120 Firmen gewesen. Neben den wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen sei es generell in den USA leichter an Wachstumskapital zu kommen, da dort die Nachfrage seitens der institutionellen Investoren, insbesondere die der Privatanleger höher sei.
In den zurückliegenden Jahren habe sich insgesamt die Finanzmarktinfrastruktur in den USA zum Wohle der Investoren verbessert, was vor allem kleine und mittlere Unternehmen sowie Start-ups anlocke. „Das habe ein Sogwirkung“, so der ZDF-Börsenexperte. „Die Arbeitsplätze von morgen, die wir so dringend brauchen, wandern dann allerdings auch aus Deutschland ab“, ist Bethmann überzeugt. Aus Sicht von Sven Schumann von der Gruppe Deutsche Börse hätten die Menschen in den USA eine positivere Einstellung zum Kapitalmarkt. „Im Vergleich zu Deutschland mit seinem Umlageverfahren in der Altersvorsorge, müssten die Menschen in den USA für eine finanzielle Sicherstellung im Alter eine viel stärkere Eigeninitiative zeigen“. Entsprechend würden sie nach Anlagemöglichkeiten mit hohen Renditen suchen. Und die finde man an der Börse. „Wir Deutschen sind dagegen die Sparweltmeister mit sicheren Zinsen und investieren ein Teil unseres Einkommens nicht am Kapitalmarkt“, so Schumann. So würden die derzeit steigenden Zinsen noch stärker dafür sorgen, dass noch mehr Gelder auf den Tages- und Festgeldkonten lande.
Kommt die Aktienrente?
Nicht nur für die Altersvorsorge oder die klassische Vermögensbildung sei die Schaffung eines besseren Anlageklimas durch den Staat zu schaffen, sondern auch aus dem Eigeninteresse des Staates selbst. Die großen zukünftigen wirtschaftspolitischen Herausforderungen, wie beispielsweise Investitionen in die Digitalisierung oder in Klimaschutzmaßnahmen, könnten nur durch Investoren finanziert werden. Der Staat könne dies vor dem Hintergrund der hohen Staatsschulden nicht allein stemmen und sei von daher auf privates Kapital angewiesen. „Damit könnten die Unternehmen zukunftsfähig gemacht werden“, so Schumann. Hinzu komme der demografische Wandel, der dafür sorge, dass in Zukunft immer mehr Menschen das Renteneintrittsalter erreichen und immer weniger junge Menschen in das System einzahlen würden. „Wenn die Rentenbeiträge in Zukunft nicht steigen sollen, muss der Staat immer mehr Steuergelder in die Hand nehmen, um die Lücke zwischen den Rentenausgaben und den Beitragsleistungen auszugleichen“, so Bethmann. Daneben würden die steigende Lebenserwartung und die nachlassende Geburtenrate in Deutschland das Übel verstärken. „Studien sind zum Ergebnis gekommen, dass bei einem Nichthandeln der Politik im Jahr 2060 etwa 60 Prozent des Bundeshaushaltes aufgewandt werden muss, um die Rente zu stabilisieren“, so Schumann ergänzend. „Das kann so nicht funktionieren“.
Um die negative Entwicklung der Rentenfinanzierung zu mildern, müsse das Rentensystem mit einer ergänzenden Aktienrente diskutiert werden, sind sich Bethmann und Schumann einig. So plane etwa Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Absicherung der Altersvorsorge mit Instrumenten des Kapitalmarktes. Anlagen in Aktien könnten sicherstellen, dass die Rentenbeiträge nicht steigen und gleichzeitig die Renten gekürzt werden müssten. Auf der anderen Seite wolle Bethmann auch mögliche Gefahren für diese staatliche Form der Altersvorsorge nicht verschweigen: „In den USA hängt die gesamte Altersvorsorge von der Entwicklung der Kapitalmärkte ab und sobald es zu massiven Börseneinbrüchen kommt, ist auch das angesammelte Vermögen weg“. Dennoch sei nach Ansicht Bethmanns die Aktienrente eine mögliche Ergänzung zum aktuellen Rentensystem.
Finanzbildung an Schulen etablieren
Damit die Menschen an die Kapitalmärkte gebracht werden, müssten nach Meinung Schumanns „die Deutschen ihre Glaubensgrundsätze bei der Geldanlage überwinden“. Zwar seien Aktien riskant, aber man könne lernen, mit den Risiken umzugehen. So müsse beispielsweise die Langfristigkeit der Aktienanlage betrachtet werden. Hätten Anleger vor der Finanzkrise im Jahr 2008 eine Kapitalanlage in einen Investmentfonds mit Schwerpunkt Aktien aus dem Deutschen Aktienindex (DAX) getätigt, könnten sie nun von einer jährlichen Durchschnittsrendite von rund sieben Prozent profitieren. Und eins sei für Schumann eine Herzensangelegenheit: finanzielle Bildung in Schulen. Schumann, der als Mitarbeiter bei der Gruppe Deutsche Börse aktiv ist, setzt sich als Co-Vorsitzender des Bündnisses für ökonomische Bildung in Deutschland für eine finanzielle Allgemeinbildung im Schulsystem ein. „Gerade in Schweden ist das Niveau der finanziellen Kompetenz deutlich höher als in Deutschland“, stellt Schumann fest. Die Menschen dort würden sich intensiver mit den Chancen und Risiken der Geldanlage beschäftigen. Als Grund nennt er das schwedische Rentensystem, indem ein Teil des Einkommens in Fonds investiert werde. Darüber hinaus würde die Bedeutung von finanzieller Kompetenz in Schweden für den Wohlstand der Bevölkerung erkannt: „Es gibt für alle Lebensphasen – von der Schule bis zum Seniorenalter – zielgruppengerechte Finanzbildungsprogramme“.